Verkauf Dich Reich!(?) Schnöder Mammon meets Wissenschaft

sparschweinGoogle-Ads im eigenen Blog? Expertenbloggen für klassische Medien gegen Kohle?, Beratertätigkeit für Unternehmen? Wie käuflich ist man als Wissenschaftler? Wie käuflich darf man sein? Darf man’s überhaupt? Geht es ums Dürfen oder viel mehr um Grundsätze des Wissenschaftsethos? Kurzum: Wo hört die Aufwandsentschädigung auf, wo fängt Käuflichkeit an?

Wenn ich die derzeitige web-zwei-genullte, ver-social-softwarte und ver-hypte Medienlandschaft anschaue, dann ist die von Unternehmen mit den “neuen” Möglichkeiten wahrgenommene illusionierte Goldgräberstimmung für so manchen geplagten und unterfinanzierten Nachwuchswissenschaftler wie Eva’s Apfel für Adam. Angebote für Beratung im Bereich Weblogs, Wikis und Co. sind derzeit so leicht zu bekommen wie Schweißperlen in der Sauna. Also Reinbeissen in Eva’s Apfel oder lieber keusch bleiben und einen klaren und unabhängigen Wissenschaftlerkopf bewahren? Für mich ist die Antwort klar, auch wenn sich der Konflikt immer wieder ergibt.

Realität I: Exzellenz des wissenschaftlichen Nachwuchses

Der wissenschaftliche Nachwuchs – zumindest den, den ich bisher kennengelernt habe und zu dem ich mich bescheidener Weise selbst zähle – bietet in weiten Teilen Exzellenz: Innovative Ideen, kreative Konzepte in Lehre und Forschung, wissenschaftliches Selbstbewusstsein, Offenheit, Kritikfähigkeit und Mut, neue Wege zu gehen.

Realität II: Kronische Unterfinanzierung

Die Exzellenz des wissenschaftlichen Nachwuchses ist um so höher einzuschätzen, wenn man sich die Rahmenbedingungen anschaut, unter denen diese Exzellenz in weiten Teilen zustande kommt:

  • übermässige Einbindung in Verwaltungsaufgaben, um den strukturellen, finanziellen und personellen Defiziten an deutschen Hochschulen ein letztes Aufbäumen vor dem zu erwartenden Kollaps entgegenzustellen,
  • wenige (in der Regel überhaupt keine) Mittel zur Finanzierung und Teilnahme an Fachkongressen und Tagungen. Das daraus entstehende Dillemma: Reiche ich ein Abstract ein und laufe “Gefahr” angenommen zu werden, kostet es mich mehrere Hundert Euro, aber ich kann mein Wissen unter Beweis stellen. Reiche ich nicht ein oder habe das “Glück” abgelehnt zu werden, spare ich Geld und habe mehr Zeit, um mich den Verwaltungsaufgaben zu widmen,
  • Einsatz in der Lehre ohne didaktische Schulung und entsprechende kostenlose Fortbildungsangebote, dafür aber überfüllte Seminare, was den eigenen Anspruch an eine qualitativ gute Betreuung der Studierenden zur Sisyphosarbeit werden lässt.
  • Kurz getacktete Zeitverträge, auslaufende Projektfinanzierung, der Zwang in der Projektlaufzeit ein Großteil der Zeit darauf zu verwenden, den Nachfolgeantrag zur Weiterfinanzierung der eigenen Stelle auszuarbeiten: All das macht es für viele Nachwuchswissenschaftler unmöglich eine einigermassen verlässliche Karriereplanung vorzunehmen.

Führe uns nicht in Versuchung…

Exzellenz auf der einen, unzumutbare finanzielle und strukturelle Zustände auf der anderen Seite können in schwachen Momenten Frust erzeugen, Frust und teilweise auch Neid auf die ehemaligen Kommilitonen, die es in die “freie” Wirtschaft geschafft haben. In Zeiten, wo man noch nicht mal mehr ein paar Euro Urlaubsgeld bekommt und mehr von seinem Weihnachtsgeld versteuert als ausgezahlt bekommt, gleichzeitig Dienst- und Vortragsreisen auf eigene Kosten zu tragen hat, ist die Verlockung Namens “Zusatzverdienst” nicht mehr weit. Doch was ist dann mit dem eigenen Wissenschaftsethos? Wie viel Honorar verlange ich für einen Workshop? Wieviel ist zu viel und damit Verkauf der eigenen Prinzipien? Wie viel ist genau genug, um wenigstens die Waage zwischen Prestige und Kostenneutralität zu wahren? Ich für meinen Teil zahle aufs Jahr gesehen kräftig drauf und das kostenneutral eingenommene Honorar gilt es ja schliesslich noch dem Arbeitgeber und dem Finanzamt als Nebentätigkeit anzuzeigen.

… sondern erlöse uns mit einem sich modernisierendem Wissenschaftssystem

Ich möchte mir solche Fragen nicht immer wieder stellen müssen. Google-Ads sind in meinem wissenschaftlich motivierten Blog für mich ebenso tabu (würde aber auch eh nicht viel bringen), wie eine gezielte Vermarktung des eigenen KnowHows aus rein pekuniären Interessen. Ich will Einladungen zu Workshops und Vorträgen annehmen, weil sie für mich eine wissenschaftliche Herausforderung darstellen, weil sie mich weiterbringen in dem, was ich aus Leidenschaft tue, und nicht, weil ich durch das Wiederkäuen der gleichen Slides ein paar Unwissende mit meinem Exprtenwissen zu Halbwissenden mache. Andererseits entdeckt man als Wissenschaftler vielleicht auch so eine Art missionarische Aufgabe in der Weitergabe von praxisrelevanten Informationen an zahlungswillige Praktiker. Im Endeffekt bleibt es leider jedem selbst überlassen, wie er oder sie die sich aus diesem Spannungsfeld ergebenen Fragen für sich beantwortet.

Nur durch eine Verbesserung der strukturellen, finanziellen und personellen Ausstattung der Hochschulen und einer leistungsgerechten Förderung im Rahmen eines sich den Bedingungen einer globalisierten Welt anpassenden Wissenschafts- und Bildungssystems, kann die Lage für den wissenschaftlichen Nachwuchs (und damit für die Zukunft) nachhaltig optimiert werden. Dadurch würden auch die Chancen steigen, dass die angesprochene Exzellenz nicht in Richtung Wirtschaft oder Ausland abwandert, sondern der deutschen Forschungslandschaft dauerhaft erhalten bleibt.

May 27th, 2006 Kategorie: Diskurs

6 Comments Add your own

  • 1. 020200  |  May 28th, 2006 at 11:52 pm

    Ich sehe das ähnlich. Es gibt dort gewisse Defizite, in der Art und Weise wie man es dem Wissenschaftlchen Nachwuchs schön kuschelig machen könnte. Kommt mit dem Bachelor ein weiterer Bildungdowngrade? Bachelor statt Abitur? Und wenn wir weiter “nach unten” schauen? Wie ist es um den Ruf und dem Arbeitsumfeld von Lehrern und Lehrerinnen bestellt?

    Natürlich nicht nur Motzen. Ich habe in “der Zeit” mal nach den neuen Bachelor und Masterstudiengängen geschaut. Das liest sich schon sehr lecker. Wenn ich Anno 1999 diese Wahl gehabt hätte, wer weis, was noch aus mir geworden wäre? ;) Also schöne Optionen, nur muss der Inhalt auch das halten, was die Verpackung verspricht.

  • 2. Steffen Büffel  |  May 29th, 2006 at 9:39 am

    Es ist weniger der Inhalt, der was versprechen muss, sondern auch wieder: personalle, finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen. Erfahrungswerte an anderen Unis die betreits die neuen Studienmodelle eingeführt haben, sind, dass für die Lehrenden ca. 30% mehr Aufwand in Sachen Lehre anfallen. Ergo: weniger Zeit zum Forschen. Durch das Credit-Point-verrechnungssystem (das ich prinzipiell gut finde) ist genau vordefiniert, wie viele Stunden ein Studi pro Credit Point investieren muss. Das und die Tatsache, dass bei Zweifach-Regeglungen (wo man also ein Hauotfach und ein Beifach studieren kann) die Kombinierbarkeit gewährleistet sein muss und die Pflichtveranstaltungen sich nicht überschneiden dürfen führt zu einem picke-packe vollen Stundenplan. Der Workloaf erstreckt sich dann auch in weitejn Teilen auf die Vorlesugsfreie Zeit, so dass ein Teilzeitstudium oder nebenbei Jobben gar nicht mehr drin ist. Ich greife jetzt mal bewusst die ganz negativen zu erwartenden und teilweise schono belegten Folgen raus.

  • 3. Kossatsch  |  May 29th, 2006 at 11:13 am

    Fein. Gut gebrüllt Löwe, aber anscheinend noch nicht tief genug gefallen.

    Ich habe mal gegen Google-Ads gestänkert, heute habe ich sie auch, weil sie die ISP-Kosten decken. Ich würde mich insbesondere vor dem Horizont Hartz IV nicht als Web-2.0-“Experte” anpreisen, wenn die Wissenschaftslandschaft etwas bessere Zukunftschancen böte.

  • 4. SB  |  May 29th, 2006 at 11:28 am

    Das “schöne” an der derzeitigen Lage ist ja, dass man immer kurz vor dem Fall steht. Persönlich bin ich sicherlich momentan noch in einer sehr luxoriösen Position, der Termin beim Arbeitsamt (ich weigere mich das DIng Arbeitsagentur zu nennen) ist aber schon gesetzt und natürlich habe ich mir vor geraumer Zeit auch einen Google-Ads Account zugelegt. So lange mich der WIssenschaftsbetrieb aber noch will, wird es die Ads im Blog nicht geben. Dass ich derzeit noch “drin” bin, aber bald wohl nicht mehr, hat mich in die Konfliktlage (siehe Posting) gebracht, dass man sich frühzeitig nach Alternativen umsehen muss und dann eben auch (fast alles) annimmt, was ein paar Euro und wichtige Kontakte bringt. Statt Karriereplanung, Hartz IV-Vermeidungsplanung.

  • 5. Martin Wisniowski  |  May 29th, 2006 at 5:47 pm

    @SB:

    Hm, Kopf hoch. Ich gebe dir völlig recht, dass es wahrlich in unsere Zeit passt, immer kurz vor dem Fall zu stehen. Das ist bedenklich, und wir denke da auch grad drüber nach. Allerdings fällt die Karierreplanung wohl auch gnadenlos mit Hartz IV Vermeidungsplanung zusammen: vielleicht ist das auch ganz gut so! Zunächst mal sind wir hier inder Bundesrepublik noch immer recht gut abgesichtert. Richtig ist auch, dass die Sozial- Steuer und sonstwas Abgaben einen freien Lebensgeist ausbremsen, sehr oft, einfach auch unübersichtlich in Komplex. Aber umso wichtiger ist doch, dass man weiss was man kann, was man will. Und vor allem was man nicht will. Wie schon bei unserem letzten Treffen war doch die Rede davon, dass es kuam eine Zeit gab, in der man so eine große Wahlmöglichkeit hatte wie heute. Neulich sah ich jemanden im Fernsehen, der war Textil-Restaurateur. Ich wusste bis letzte Woche garnicht, dass es so einen Beruf überhaupt gibt!

  • 6. Mario Donick  |  May 31st, 2006 at 11:43 pm

    Deine Analyse ist irgendwie sehr bedrückend. Ich sehe den ganzen Wissenschafts- und Universitätsbetrieb aufgrund meines recht jungen Alters und meines gerade-erst-in-die-Systeme-Hineinwachsens immer noch aus einer etwas naiven Sicht, aberüberlege mir langsam wirklich, ob ich das lange mitmachen will. Ich will zumindest irgendwann ne Promotion fertig stellen und würde mir wünschen, meine Forschungsinteressen universitär verfolgen zu können, sowohl was meinen eigenen Spaß an der Sache betrifft, als auch den Wunsch, anderen Leuten, sprich Studenten, diesen Spaß und den Sinn darin zu vermitteln.

    Ich sehe bereits jetzt, wie schwierig das ist. Schwierig, weil die Unis kein Geld haben, und schwierig, weil man deshalb bei allem Engagement kaum überleben kann. Das, was du beschreibst, schmeckt an vielen Stellen nach Teufelskreis.

    Und so halte ich es gerade für uns als den Nachwuchs für durchaus legitim, auch nach Strohalmen wie Google Ads zu greifen, selbst wenn das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ich habe heute erfahren, dass einer meiner HiWi-Verträge ab Juli um 2 Stunden erhöht werden kann und ich war danach glücklich wie lange nicht mehr – dabei bringt das, weil der Ende September ausläuft, insgesamt nur ca. 200 Euro mehr.

    Ich habe auch das Gefühl, dass man als HiWi theoretisch besser verdient als mit nem 2SWS-Lehrauftrag, bei dem es ja nur einmalig eine “größere” Summe Geld gibt. Das ist irgendwie absurd.

    Ebenfalls absurd ist, dass man ohne unterschriebenen, aber im Prinzip fertigen Vertrag nicht arbeiten darf. Da Verwaltung und Bürokratie aber oft dafür sorgen, dass Verträge erst mit Verspätung unterschrieben werden können, müsste die Arbeit liegen bleiben. Also wird in der Praxis dann doch ohne Geld gearbeitet.

    Und noch eine lustige Erfahrung: Aufgrund der neuen BA und MA-Studiengänge ist es für Studenten nach dem 6. Semester, also dem BA, bei entsprechender Befähigung (und guten Kontakten zu den anderen Dozenten…) durchaus möglich, schon Lehrveranstaltungen durchzuführen. Idealerweise folgt nach dem BA dann aber noch der MA, so dass man diese Tätigkeit auch unentgeltlich durchführen kann – sie kann dann als Praktikum oder Vermittlungskompetenz im Rahmen des MA-Studiums gewertet werden (das vermeidet auch Ärger mit der Bürokratie, nach der wie gesagt ohne Vertrag nichts gemacht werden darf) und macht sich gut im Lebenslauf. Der BA ist gleichzeitig die fachliche Legitimation für die Tätigkeit. Die Uni spart so Geld bzw., wenn das Angebot von Seiten des freiwillig umsonst Lehrenden kommt, bekommt sie kostenlos eine zusätzliche Lehrveranstaltung, die anders wohl gar nicht möglich wäre, weil kein Geld für Lehraufträge da ist. Das finde ich zum Teil amüsant, aber auch ziemlich traurig.

    Mal sehen, wie lange ich überlebe.

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