Gedanken zur HBS-Philosophie

Jan Schmidt und ich haben beim EuroBlog 2006 Symposium vergangene Woche mehrere Gespräche über die Idee hinter den hardbloggingscientists geführt und dabei untereinander aber auch im Dialog mit anderen ein paar zentrale Aspekte zusammengetragen, die aus unserer Sicht die Philosophie der hbs ausmachen. Zeit also, mal meine philosophischen Gedanken zu den hbs niederzuschreiben.

Plüsch-Pop und Hart-Rock

Ich wurde nun schon mehrfach auf den hbs-Button angesprochen und gefragt, was das eigentlich heissen soll, was hard blogging bedeutet und was die harbloggingscientists eigentlich sind. Die Farbe des Buttons und die Aussage des Schriftzuges erzeugen offenbar Irritation, machen neugierig, laden zum Dialog ein. Interessanterweise scheint das hard in hardbloggingscientists auf so manchen Aussenstehenden zunächst einmal bedrohlich zu wirken. Das blogging ist für viele selbsterklärend und scientists auch. Man hat es also mit Wissenschaftlern zu tun, die bloggen, nein, die hart bloggen und einen magentafarbenen pinkfarbenen Ansteckbutton tragen. Das popige Pink und das rockende hard bilden glaube ich den Neugier auslösenden Gegensatz, insbesondere wenn in dieses Spannungsfeld noch die Wissenschaft eingebaut wird.

Hart aber Herzlich

Für mich bedeutet das hard im Zusammenhang mit dem Betreiben eines Wissenschaftler-Blogs sich den Meinungen und der Kritik anderer zu stellen, mit Hilfe des Blogs sozusagen ein Fenster durch die Wand des “Elfenbeinturms” zu öffnen, externes Feedback hereinzulassen, sich direkt mit der Aussenwelt und der bloggenden scientific Community zu koppeln und so die eigenen Ideen und wissenschaftlichen Thesen der Öffentlichkeit unmittelbar offenzulegen. Das hard ist also nicht als aggressiv-brutal zu verstehen sondern als die ungefilterte dialogische Öffnung des eigenen wissenschaftlichen Schaffens nach “Draussen”. Feedback und der kritische Austausch sind dabei ausdrücklich erwünscht.

Authentizität und Qualität

Mit dem hard schwingt für mich aber noch mehr mit. Sich der Kritik zu stellen und auf gleicher Augenhöhe mit anderen zu diskutieren erfordert ein erhöhtes Maß an Authentizität. Vor allem, wenn man noch unfertige wissenschaftliche Gedanken zur Diskussion stellt. Authentizität steht für mich darüber hinaus in einem engen Zusammenhang mit Qualität – Authentizität selbst ist eine Qualität. Ich will und muss als hbs hinter meinen Aussagen stehen können, einerseits selbstbewusst und ein Stück weit egozentrisch, gleichzeitig aber auch mit einer gelassenen Bescheidenheit und neugierigen Offenheit für die Sichtweisen und Ideen anderer. So ist ein für alle am Diskurs Beteiligten gewinnbringender Austausch möglich.

Wissenschaftsverständnis 2.0 .sb style

Der Qualitätsaspekt betrifft weitere Ebenen des eigenen wissenschaftlichen Handelns. Dazu gehören Dinge wie

  • die Orientierung an den Grundlagen guten wissenschaftlichen Arbeitens,
  • nach bestem Wissen und Gewissen zu recherchieren und zu zitieren,
  • mit Mut und Kreativität eigene Ideen und Visionen in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen,
  • einen möglichst verständlichen Schreib- und Sprachstil zu pflegen,
  • überzeugende und handwerklich sauber gearbeitete Präsentationen und Vorträge zu halten,
  • einen freundlichen und fairen Umgang mit Kollegen und Studierenden zu führen,
  • in der Lehre die Studierenden fordern, zum kreativen Arbeiten und kritischen Denken zu ermutigen,
  • innovative Lehr-/ Lernformen zu entwickeln,
  • sich freiwillig studentischen Evaluationen zu stellen und das Feedback konstruktiv und produktiv in die eigene Arbeit zurückfliessen zu lassen,
  • Leistungsbewertungen mit maximaler Transparenz offenzulegen und zu begründen.

Diese Liste hat den Status einer perpetual beta, kann und wird in Zukunft erweitert und modifiziert werden, darf und soll diskutiert werden. So viel für heute von mir…

March 23rd, 2006 Kategorie: Diskurs

4 Comments Add your own

  • 1. 020200  |  March 27th, 2006 at 7:47 pm

    Mir fallen zwei Dinge dazu ein:

    1. Vorträge sollten verständlich, spannend und gerne auch unterhaltsam sein. Gerne auch mit Nachbereitung in der Diskussion, im persönlichen GEspräch, oder in den Blogs, wie hier: http://phlow.net/mag/netzkultur_spielerei/die_zukunft_von_weblogs_google_und_pr.php#kommentare

    2. Muss man wirklich in jedem Vortrag die komplette Vorgehensweise und Methodik runterbeten? Meine Erfahrung (und die von Stephan Baumann) ist leider die: bei einem leicht verständlichen Vortrag ohne übliche Wissenschaftsbuzzwords bekommt man schnell mal den “unwissenschaftlich-Stempel” aufgedrückt. Doch die wissenschaftliche Arbeit und der Vortrag, bzw. das Reden darüber sind zwei unterschiedliche Dinge.

  • 2. Mario Donick  |  March 29th, 2006 at 7:40 am

    Ich habe, auch in meinem noch nicht ganz abgeschlossenen Studentendasein, die Erfahrung gemacht, dass eher locker gehaltene Referate, die ich bewusst von irgendwelchen überkomplizierten, aber intelligent wirkenden Fachbegriffen entschlacke und dafür mit simplen, aber passenden Beispielen oder Vergleichen anreichere, von der Zuhörern besser verstanden werden und auch besser ankommen. Übrigens nicht nur bei Studenten, sondern auch bei Dozenten. Die Blicke gehen dann manchmal in so eine “Hm, ja, ungewöhnlich ausgedrückt, aber irgendwie hat er ja Recht”-Richtung. *g*

    (Einzig am zu langen Satzbau kranke ich manchmal noch, wie man am letzten Absatz sieht…)

    Ein paar kurze Worte zu Struktur und Aufbau eines Vortrags halte ich allerdings schon für ganz sinnvoll, weil man den Leuten dann zeigt, was noch auf sie zukommt. Nichts ist schlimmer als ein Vortrag, in dem konsequent eine Kultur der Zeitlosigkeit gepflegt wird – soll heißen, wo man sich fragt, wie viel denn noch kommen mag und wann das endlich zu Ende ist ;)

    Auf der anderen Seite habe ich im WS05/06 bei der Durchführung meines ersten Seminars die Erfahrung gemacht, dass Studenten die klassische, strengere Form der Seminargestaltung zu mögen scheinen – ich glaube, sie haben damit ein besseres Gefühl, es fühlt sich für sie nach “ernsthafter studieren” an. In der von mir am Ende durchgeführten Seminarkritik war zwar auch viel Lob zu hören und die Leute meinten, sie hätten was gelernt, aber mehr als einmal fiel auch die Aufforderung, ich solle “strenger” sein.

    Aber ich fange ja gerade erst an und muss diese Balance zwischen methodischer Lockerheit, inhaltlicher Innovation und universitärer Seminarstrenge wohl noch finden.

  • 3. The original hard bloggin&hellip  |  April 6th, 2006 at 5:14 pm

    […] Nachdem Steffen schon so eingängig ein Update von unserem Manifest eingeleitet hat, will ich noch einige Aspekte – aus meiner Sicht – ergänzen. […]

  • 4. PR-Fundsachen » Har&hellip  |  April 7th, 2006 at 1:28 pm

    […] >>Gedanken zur hbs-Philosophie […]

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