Wir nennen es Arbeit – Lesung

Freitag in Hamburg haben Sascha Lobo und Holm Friebe aus ihrem Buch Wir nennen es Arbeit gelesen (der Bionade-Faktor im Publikum war übrigens ziemlich hoch).

In dem Buch skizzieren die beiden einen Lebens- und Arbeitsentwurf jenseits fester Anstellungen, den sie als digitale Bohème bezeichnen. Digitale Bohemiens sind eine Mischung aus selbständigem Unternehmer und Künstler und leben und arbeiten vor allem selbstbestimmt.

Die Beobachtung der beiden ist, dass diese Form der Arbeit zwar nicht neu ist (schon Balzac hat sich dazu geäußert, freilich war es damals die analoge Bohème), aber in den letzten Jahren erheblichen Zulauf erhält. Das habe vor allem zwei Gründe: Feste Angestelltenverträge werden insgesamt rarer, schwerer zu bekommen und unsicherer (und verlieren damit auch einen Teil ihrer Attraktivität) während es auf der anderen Seite technische Entwicklungen gibt, die das knüpfen und pflegen von sozialen Kontakten erheblich vereinfachen (“Web 2.0″, WLAN an vielen Ecken).


photo by maav

Der prototypische digitale Bohemien hat immer mehrere Projekte am Laufen, von denen einige dem Broterwerb dienen und eher langweilig sind und andere der Selbstverwirklichung dienen. Ausdrücklich offen gelassen wird dabei, wohin die Selbstverwirklichungsprojekte führen. Weil wir die Zukunft nicht kennen, können wir keine Voraussagen darüber treffen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse einmal wichtig werden. Mit vielem, was belächelt wurde, lässt sich doch Geld verdienen, und via Internet ist es leichter, die Leute zu finden, die Geld für das bezahlen, was man sowieso gerne tut.

Das Buch, welches ich gekauft, aber noch nicht fertig gelesen habe, geht noch auf eine ganze Reihe anderer Themenkomplexe ein, z.B. die makroökonomische und kulturelle Bedeutung der digitalen Bohème, die Renaissance des Ortes etc.

Persönlich habe ich Zweifel, ob digitale Bohème z.B. für Wissenschaftler ein tragfähiges Modell ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich mit Grundlagenforschung in Computerlinguistik z.B. Geld verdienen lässt, wenn sie nicht öffentlich oder von großen Unternehmen finanziert wird, die sich später davon Profit erhoffen. Aber vielleicht geben die rund 150 Seiten, die ich noch vor mir habe Aufschluss.

Sich mit alternativen Arbeits- und Lebensentwürfen zu beschäftigen ist aber in jedem Fall auch für Wissenschaftler lohnenswert, sind doch unbefristete Festanstellungen ohnehin eher die Ausnahme als die Regel im Wissenschaftsbetrieb.

Termine für künftige Lesungen gibt es hier, die nächste ist am 23.10. (morgen) in Trier.

Blog zum Buch

(Dies ist ein Doppelpost und erscheint bei den hard bloggin’ scientists und in meinem persönlichen Blog)

October 22nd, 2006 Kategorie: Auf Tour, Diskurs

5 Comments Add your own

  • 1. Stephan  |  October 22nd, 2006 at 9:04 pm

    Danke für den Bericht. Eine Anmerkung: Sollte die Öffentlichkeit oder die Wirtschaft kein Interesse (mehr) an bestimmten Grundlagenthemen haben, würde eine Förderung für diese sterben. Hier und da geschieht dies auch bereits. Daher ist der Ansatz der digitalen Boheme auch für mich als Wissenschaftler relevant. Ich sage nur: SaveRocketScience oder BlueSkyResearch Matters.

  • 2. mo.  |  October 23rd, 2006 at 12:39 am

    gemeinsam mit Martin habe ich heute eine Rezension und Meinungskundgabe zum Buch geschrieben :)

    http://phlow.net/mag/link/000944.php

    unter dem artikel findet man auch weitere meinungen und material von anderen medien wie deutschlandradio oder mario sixtus aka der elektronische reporter.

  • 3. ISBN 3453120922 « G&hellip  |  October 23rd, 2006 at 2:12 pm

    […] So. Nachdem ich ja schon rumgemotzt habe, Felix das Buch ja schon öffentlich las, Johnny es schon gelesen hat, Nils, Martin und Mo auch – hab ich es mir auch endlich gekauft. Ganz analog. Beim Ex-68er Buchändler-Kollektiv hier im Kiez Viertel. digitale bohème […]

  • 4. Nils Reiter  |  October 24th, 2006 at 1:58 pm

    Nachtrag: Beim Elektrischen Reporter gibt es einen kurzen Beitrag inklusive Interview mit Holm und Sascha.

  • 5. 020200  |  October 24th, 2006 at 2:58 pm

    Ich klick mir die heute mal in echt an.

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