Bangt die intellektuelle Elite in Deutschland vor dem Internet?

Martin Wiegert macht sich auf Netzwertig Gedanken darüber, warum der gegenwärtige Diskurs um das Internet so netzfeindlich ist.

Die Elite in Deutschland hat Angst vor dem Web. Sie, also Entscheider, Gestalter und Menschen mit Einfluss auf die Gesellschaft, haben enorme Probleme damit, die Web-Phänomene zu verstehen, die gerade eine Revolution vorantreiben. Eine friedliche und digitale Revolution. Eine Revolution, bei der sich Machtverhältnisse verändern, bei der Menschen ohne Einfluss plötzlich Gehör finden und andere, die bisher viel zu sagen hatten, sich schlagartig mit deutlich weniger Aufmerksamkeit begnügen müssen oder aber stärkeren Gegendwind erfahren.

Gründe sieht er unter anderem darin, dass in Deutschland die Bildungselite traditionell mehr auf den Standesdünkel setzte und noch immer setzt, anstatt das Unternehmertum oder andere Faktoren, die “Erfolg” definieren, anzusetzen. Dieses sei in dem USA und auch in Schweden anders, weswegen auch die Politik dort anders auf das Internet reagiert.

In den USA gibt es viele gebildete Menschen, einflussreiche Wissenschaftler, Professoren und Autoren. Doch mindestens den gleichen Stellenwert wie der intellektuelle Status hat Unternehmertum. Wer in den USA etwas aufbaut, eine Firma gründet, damit aufsteigt, Jobs schafft und zugleich Geld verdient, ist hochangesehen. Ganz ähnlich ist die Situation hier in Schweden.

In Deutschland aber garantiert traditionell etwas anderes hohes Ansehen: Klassische Bildung, so beispielsweise exzellente Kenntnis deutscher Geschichte, Konflikte, Dichter, Philosophen und Literaten. Wer dieses Wissen beherrscht und ein ausführliches Universitätsstudium vorweisen kann, braucht sich nicht davor scheuen, im Rampenlicht zu stehen, und hatte bisher gute Chancen, Einfluss und Macht zu erlangen. Folgt man hingegen seinem unternehmerischen Drang oder ist gar darauf aus, viel Geld zu verdienen, muss man sich mit weit weniger Status abfinden – selbst wenn dabei Jobs entstehen und mitunter positiv auf die zukünftige Entwicklung des Landes eingewirkt wird. Und überhaupt: Reich zu sein, gehört in Deutschland bekanntlich nicht zu den Dingen, von denen man stolz seinem Nachbarn berichtet.

Eine einfache und eindrigliche Erklärung “Die Elite hat Angst”.

Das ursprüngliche Privileg der deutschen intellektuellen Elite hat sich zum Instrument der Masse entwickelt. In anderen Ländern wie den USA oder Schweden ist dies kein so großes Problem. Dort reichte der Stolz auf die eigene, akademischer Ausbildung allein sowieso nie aus, um sich eine Position an vorderster Front zu verschaffen.

June 6th, 2009 Kategorie: Diskurs, Fundsachen

2 Comments Add your own

  • 1. www.mybeautyblog.de  |  August 12th, 2009 at 2:44 pm

    Ich halte die Aussage dass in DE Bildung ein hohes Ansehen hat definitiv für falsch. Es gibt sicherlich eine Schicht ind er das zählt, aber das Gros der Deustchen sehen eine Designer-Handtasche oder ein Porsche eher an – mit Neid, das ist richtig. Standesdünkel beruht in dieser Schicht nach wie vor auf den finanziellen Background und nicht darob, ob man das grosse Latinum hat.

    Das Internet ist insofern ein “Problem” als das es nicht auf althergebrachte institutionelles Wissen beruht. Wer Kant gelesen hat, kann deshalb nicht twittern oder versperrt sich für den Sinn.
    Ein echter Wiss. und Intelektueller versperrt sich dem Neuen nicht.

  • 2. CR  |  February 18th, 2013 at 7:04 pm

    Es gibt Ausnahmen.

    So stellt die Gesellschaft für Bildung und Wissen Fachbeiträge ins Netz (http://bildung-wissen.eu).

    Ferner gibt es Soziale Netzwerke mit akademischer Ausrichtung und natürlich die sogenannte Open Science Bewegung.

    Es gibt also erste Schritte für einen öffentlichen akademischen Diskurs.

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